Wir haben nur mal kurz "angehalten"

 

20.4.2020

 

Wir können es selber noch nicht glauben, aber wir sind wieder in Deutschland gelandet. Aber mal ganz von vorne. Vor Wochen waren wir noch im absoluten Reisemodus in Saudi Arabien. Nicht eine Minute hätten wir daran gedacht, dass es uns so schnell nach Deutschland katapultiert und zwar mit einem Sonderflieger der Lufthansa. Ende Februar waren wir in Saudi Arabien eingereist und sehr gespannt dieses bisher verschlossene Land als Tourist der Stunde Null zu besuchen. Jetzt nach 6 Wochen ist schon wieder alles vorbei und wir am Schluss unserer Reise in Deutschland sitzend. Ganze 3 Wochen haben wir uns in Jeddah mit anderen Oberlandern in einer angemieteten Villa eingeschlossen. In den ersten 3 Wochen waren wir noch unterwegs, hatten Riad erkundet, waren eine gute Zeit lang in Al Ula auf dem Winterfestival, hatten dort  wunderschöne, alte Ausgrabungsstätten besucht, die an Petra in Jordanien erinnern. Dann waren wir weiter in den Norden gefahren, fast an die jordanische Grenze als uns dort die Nachricht erreichte, dass Saudi Arabien eine Ausgangssperre verhängen wird. Zu dem Zeitpunkt waren wir der festen Meinung alles noch schön auszusitzen. In der Wüste entspannt und gemütlich, mit einem kleinen Supermarkt in 5km. Weit weg von Corona. Wir waren gut drauf, hatten sogar Handyempfang und Kontakt zur Außenwelt. Ich verfolgte die Nachrichten aufmerksam. Nach 4 Tagen spitze sich die Lange immer mehr zu, wir hörten über unsere Kanäle, dass es bald nicht mehr möglich sei, die Regionsgrenzen zu überfahren. Peter und ich wurden unruhig und beschlossen doch den Weg nach Jeddah anzutreten. Im Notfall kämen wir von dort weg und Robbie in einen Container. Ich hatte mich in der Zwischenzeit mit den anderen Reisenden in der Villa kurzgeschlossen und angekündigt, dass wir zu ihnen fahren. Am nächsten Tag ging es wie beschlossen sehr früh los, wir waren plötzlich voll im Fahrmodus, etwas angespannt, in der Hoffnung, dass wir noch durchkommen. Um 6 ging es also los und wir fuhren gute 500 km und schafften die erste Regionsgrenze ohne Polizeikontrolle. Wir wählten einen uns bekannten Standplatz zum Übernachten in Al Ula in der Nähe des Elefantenfels, wo wir Tage vorher noch lustige und unbeschwerte Zeiten mit Diddi, Daniela, Oli und Dagmar verbracht hatten. Jetzt war alles ruhig und wir legten uns früh schlafen, da ein weiterer anstrengender Fahrtag auf uns am nächsten Morgen wartete. Am Morgen brachen wir früh auf und erreichten Jeddah erst nach 6 Stunden und Standsturm im sicheren Hafen der Villa. Wir hatten es geschafft ohne Kontrolle. Vermutlich war die Polizei noch in der Vorplanung der Umsetzung des Fahrverbots. Das war uns offensichtlich zu Gute gekommen. Ganze 3 Wochen verbrachten wir in der Ville mit den anderen. Wir standen ständig in Kontakt mit der Botschaft, den Spediteuren und dem Konsulat. Zum Schluss ging es richtig rund. Minütlich kamen neue Infos. Bekommen wir Fahrgenehmigungen, um die Autos im Hafen zur Verschiffung abzugeben, dann war das Zollapproval noch unsicher, ständig hing ich am Telefon mit dem Spediteur in Dubai. Dann war ein Sonderflug nach Frankfurt angekündigt, aber keiner wußte wann. Wir standen Gewehr bei Fuß, um in der nächsten Minute aufzubrechen. Wir bekamen dann die nächste Info, dass der Flug ab Riad ging und nicht ab Jeddah. Wir waren mit den Nerven am Ende. Wie sollten wir nun nach Riad kommen, die Autos waren noch nicht unter Dach und Fach und alles noch unbestätigt und Ofen. Die Botschaft rief an und sagte, dass es Freitag los ging und wir am Donnerstag mit dem Bus 1000 km nach Riad gebracht würden. Allerdings mußten wir uns selber um die Flugbuchung kümmern. Es war Nervenzerreißend. 4 Tage Vollgas mit Einholen der Genehmigungen, Abstimmungen mit Zoll und Spedition und Buchung der Flüge.

 

Dann am Mittwoch ging es alles sehr schnell. Der Spediteur rief an, dass wir Robbie in den Hafen bringen können. Die Botschaft hatte uns pünktlich alle Fahrgenehmigungen geschickt. Wir fuhren los, schafften sogar 6 Polizeikontrollen und standen pünktlich im Hafen zur Abgabe. Auf dem Rückweg stellten wir noch Sebastians Auto in einer Halle unter, auch er hatte sich um eine Unterstellung bemüht. Wir fuhren dann alle zusammen im LKW von Steffen wieder gen Villa. Dort angekommen informierte uns Rebekka, das wir noch keine Flüge hatten. Das Zittern ging also wieder los. Nochmal Botschaft anrufen und um Unterstützung bitten. Wir erfuhren vom Call Center in Dubai, der sich als Volltreffer erwies, dass es noch Plätze im Flieger gibt. Der Agent hatte unsere Flüge auf dem Schirm und prüfte, ob wir alle auf die Maschine gebucht waren. Für Rebekka, Sebastian und die Kinder erwies es sich als Glücksfall, sie alle waren eingebucht. Peter und ich jedoch nicht, wir fragten nach Upgrades und man bot uns Sitze in der Premium Economie an. Ich überlegte nicht eine Minute und sagte zu, auch für einen Preis von 5000 Euro. Das war der Way out bevor es heiß in Saudi Arabien wird und sie die Grenzen wieder komplett zu machen, dachte ich mir noch. Als es dann ans Bezahlen ging stellten wir fest, dass unsere Kreditkarten nicht funktionierten, sie wurden immer wieder abgewiesen. Auch bei Sebastian klappte es nicht. Peter und ich versuchen 3 Karten als der Agent uns einen Hinweis gab, dass wir evtl. die Tagesbelastung zu niedrig hatten. Peter schaute nach und Bingo, unsere Tagesbelastung lag bei nur 1000 Euro. Schnell erhöhten wir auf 5000 Euro und die Flüge waren gebucht. Auch Sebastian war erfolgreich. Wir umarmten uns alle vor lauter Glück. Was für ein Krimi bis zur letzten Minute. Jetzt durfte der Bus nur keinen Motorschaden auf dem Weg nach Riad haben. Wir verwarfen diesen fiesen Gedanken ganz schnell wieder. Am nächsten Morgen klappte die Fahrt zum Sheraton ohne Zwischenfall. Auch die lange Busfahrt nach Riad verlief ohne Unterbrechung. Als wir mitten in der Nacht den Flieger bestiegen, fiel die Anspannung von uns ab. Ohne Probleme landeten wir einige Stunden später in Frankfurt. Auch dieser große Flughafen war wie der Airport in Riad verweist. Nur wir waren als Flug angekündigt. Gespenstische Stille erwartete uns. Vermutlich werden wir nur einmal im Leben es erleben, dass wir der einzige Flug auf den Anzeigetafeln sind. Wir verabschiedeten uns mit ausgiebigen Umarmungen von unseren Reisefreuenden. In dem Moment wußte ich, dass in diesem Augenblick unsere Weltreise nach 2.5 Jahren zu Ende ging. Innerlich beschlich mich eine große Traurigkeit, aber die Realität holte mich ein und es war zwecklos daran festzuhalten. Nach Afrika hätten wir aufgrund der Grenzschließungen nicht weiterreisen können. Bereits viele Langzeitreisende waren von dort wieder in ihre Heimatländer geflüchtet. Viel Unmut war ihnen seitens der einheimischen Bevölkerung entgegengeschlagen, da man glaubte, dass der Weiße die tötliche Krankheit bringt. Wir waren in Saudi Arabien davon verschont geblieben. Die Araber waren bis zum Schluss freundlich und herzlich uns gegenüber. Deswegen war es die einzige vernünftige Lösung gewesen hier nun abzubrechen.

 

Wir sind nun wieder zurück ohne Rückkehr in unser Leben als Reisende. Peter hat bereits einen Job gefunden, der uns wieder in Richtung München führen wird. Durch einen glücklichen Zufall kam der Anruf eines alten Geschäftspartners als wir in der Wüste standen kurz bevor wir nach Jeddah fuhren. Eine gute Fügung, die uns den Einstieg erleichtern wird. 

 

Wir wissen allerdings noch nicht wie uns die Reise verändert hat und wie sie auf uns wirken wird. Welchen Einfluss wird sie auf uns als Paar haben, wird es unser Handeln im Beruf beeinflussen. Werden wir in der "alten Welt" überhaupt wieder ankommen. Welche Werte werden wir bewußt oder auch unbewußt leben? Wir wissen es noch nicht. Sicherlich werden wir genug Disziplin aufbringen unseren Jobs nachzugehen. Eins ist jedoch sicher, wir werden viele Dinge hinterfragen, vor allem die Tretmühle des Alltags, in der wir oft vorher gefangen waren. Wir waren erdrückt von vielen Dingen und Konsum um uns herum, der uns oft daran hinderte auszubrechen und loszulassen.

 

Heute 2.5 Jahre später haben wir all das nicht mehr, nur noch ein paar eingelagerte Dinge, von denen wir uns zum großen Teil vermutlich auch noch trennen werden. Wir haben gelernt mit wenig Dingen auszukommen, auf kleinem Raum zu leben, zu träumen, nicht zu weit zu planen, eher spontan zu entscheiden. Denn Sicherheit gibt es nicht und wir haben gelernt den Moment zu leben, nichts aufzuschieben, auch mal eine Extrarunde zu drehen. Wie oft sind wir noch einen Umweg gefahren, um dies oder das zu erleben. Wir sind nie konsequent geradeaus gefahren, wir haben oft die Richtung gewechselt, wir haben vielleicht nicht alles gesehen, was in den Reiseführern steht, aber wir haben das jeweilige Land immer intensiv erlebt. Wir haben uns Zeit für Einladungen genommen, obwohl wir Anfangs oft weiter wollten. Haben dann aber die besten Begegnungen und Erlebnisse gehabt. Diese Art des spontanen Reisens hat zum Ende immer mehr unseren Reisestil geprägt und entsprechend bereichert, so dass wir heute rückblickend sagen können, dass wir nichts verpasst haben. Zwar haben wir unsere Tour momentan noch nicht in Kapstadt beenden können, aber was eigentlich auch gar nicht schlimm ist, da wir nur "angehalten" haben. Der Weg liegt also noch vor uns. Wie lange aber unser "anhalten" dauern wird, wissen wir heute noch nicht.

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 2
  • #1

    Onwheels.travel (Freitag, 25 Dezember 2020 12:35)

    Hallo ihr beiden
    Wir haben gerade euern Blog gelesen und festgestellt, dass ihr wieder in Deutschland seid.
    Wir hatten es seinerzeit sehr bedauert, aus Visa-Gründen keine Zeit für Saudi Arabien zu haben. So verschifften wir in den Sudan und nach gut 2 Monaten Sudan reisten wir in Äthiopien ein.
    Hier wurden wir von Corona gebremst. Standen für 4 Monate im Garten einer Klinik.
    Mittlerweile sind wir in Kenia und planen unsere langsame Weiterreise nach Süden.
    Wir wünschen euch beiden alles Gute.
    Liebe Grüsse Vreni & Ernst von www.onwheels.travel

  • #2

    Gerhard Pegam (Samstag, 09 April 2022)

    Sehr interessanter blog. Und? Konntet Ihr Euch wieder gut einleben, oder hat Euch die Reise zu sehr verändert? Wäre interessant mehr zu erfahren.... Liebe Grüsse