Murmansk - das Geheimnis ist gelüftet

Am nächsten Morgen treibt uns die Hitze früh aus dem Bett, nach dem obligatorischen Sprung ins kühle Nass, sitzen wir auch schon wieder im Auto in Richtung Murmansk. 150 km trennen uns von dieser Stadt. Wir sind etwas aufgeregt und freuen uns. Murmansk war ein Ziel auf unserer Reise. Die arktische Stadt, die bis 1991 noch eine closed city war aufgrund ihrer militärischen Nutzung im kalten Krieg. Selbst Russen durften nur mit Genehmigung einfahren. 

 

Wir verlassen den Kola-Highway und kommen direkt auf das Stadtdenkmal zu, leider verpassen wir rechtzeitig zu stoppen, da der Verkehr dichter ist und Peter wilde Fahrmanöver vermeiden möchte. Die Stadtautobahn führt uns über einen Hügel, so dass wir einen schönen Blick auf Murmansk bekommen. Wir sehen den Hafen, viele Sowjetbauten und auch eine Fabrik mit ihren rauchenden Schloten. Uns gefällt das Bild und wir beschließen nochmal stadtauswärts zu fahren, um das Denkmals zu fotografieren. Beim zweiten Mal klappt alles und wir bekommen unsere Fotos. Spontan entscheiden wir zwei Tage zu bleiben und fahren zu dem angegebenen Standplatz, den man uns in Petrosawosk empfohlen hatte. Als wir dort ankommen sind wir doch etwas enttäuscht, da er gute 5 km aus der Stadt raus liegt. 

 

Allerdings hatte ich in einem Landyreiseblog gelesen, dass man in der Stadt im Hotel Azimut gut übernachte kann. Wir beschließen uns das Hotel genauer anzusehen. Als wir in der Lobby stehen wundere ich mich, alles top modern und auch mit englischen Bezeichnungen. An der Rezeption werden wir dann auch freundlichst im besten Englisch empfangen. Als wir nach dem Zimmerpreis inkl. Frühstück fragen sind wir verdutzt. 70 € soll es kosten. Wir hatten mit 120€ gerechnet und zunächst eine Übernachtung offen gelassen. Wir sagen gleich für 2 Nächte zu, das passt perfekt ins Budget, sogar das Auto können wir direkt vor der Lobby auf dem bewachten Parkplatz kostenlos stehen lassen. Als wir im Zimmer sind inspiziere ich gleich das Bad. Eine Dusche, also Wasser von oben und eine Toilette, also nicht hocken und abstützen auf dem Spaten. Ich grinse übers ganze Gesicht. Eine eigene Dusche mit Toilette. Es ist ungeheuerlich wie man das zu schätzen lernt. Endlich warmes Wasser für die Haarwäsche. Das war mir eigentlich das Wichtigste. An alle anderen Dinge hatte ich mich mittlerweile gut gewöhnt, nur diese kalten Haarwäschen waren immer schrecklich. Auch Peter scheint die Abwechslung zu genießen und legt sich gleich lang aufs Bett, als ob er seine Glieder mal richtig ausstrecken wollte. Für einen 1.93 m großen Menschen ist ein kleines Hubdach schon manchmal eine Herausforderung, auch wenn Peter immer sehr geschickt ist hineinzuklettern.

 

 

Nachdem wir uns stadttauglich gemacht haben ziehen wir los. Murmansk ist schnell abgearbeitet, wir erkunden den Hafen und den Bahnhof und bleiben eine gute Weile auf einer Brücke hängen, von der wir einen wunderbaren Blick über das gesamte Gelände haben, und beobachten die Verladung der Erze auf die Transportzüge. Zu Hunderten stehen sie gefüllt oder leer aneinander gereiht auf den Gleisen. In der Ferne können wir am Hafen die Löschung der Ladungen beobachten. Ein riesiger Umschlagplatz für Rohstoffe. Wieder witzeln wir über russische Oligarchen. Ich hatte schon eine ganze Zeit während der Reise über das Thema Rohstoffe und die Geschichte der Oligarchen in Russland gelesen und hatte Peter immer wieder kleine Anekdoten und auch politische Skandale der Besitzer der Firmen erzählt. Am Ende gab es sogar „meinen Nickel-Oligarchen“, der laut Peter hier sein Unwesen trieb. Es wurde uns nicht langweilig und bei mir kamen immer mehr Fragen zum Thema hoch. Wir redeten viel über Energiegewinnung und Herstellungsprozesse....und auch das Thema Atomkraft ließ uns nicht los. In Murmansk gab es die Lenin zu besichtigen, der erste atombetriebne Eisbrecher der Welt. Wir fraßen uns regelrecht durch die Themen Nordmeerflotte, kalter Krieg, Rohstoffe und all die Fragen, die uns unterwegs unbeantwortet erschienen. In meinem Kopf machte ich den Notizblock auf mit Memos für die tägliche Internetrecherche am Abend. So gelangen wir irgendwann zum Hafen und stehen vor der Lenin. Ich bin beeindruckt und wir beschließen gleich am nächsten Tag eine Führung mitzumachen. Auch Peter war versessen darauf dieses Schiff von innen zu sehen. Zurück im Hotel machen wir uns dann bereit für den Abend. Wir wollen ein paar Drinks in der Bar nehmen. Wir versacken natürlich wieder mal und haben einen super Abend. Am nächsten Tag geht es dann tatsächlich auf die Lenin. Die Führung ist leider in Russisch, aber ich habe ja Internet und mein Notizbuch im Kopf. Wir steigen hinab in die Mensa der Mannschaft und der Offiziere, die Innenarchitektur des Schiffes besteht aus Holz, alles alt und ehrwürdig und aufwendig gearbeitet. Peter und ich witzeln, dass dies noch Zeiten waren. Sie führen uns in den Maschinenraum mit den riesigen Antriebsturbinen. Weiter geht es hinab den Krankenhausbereich, wir sehen einen OP, einen Röntgenraum und auch den Zahnarztstuhl. Die Zeit steht plötzlich still, alles sehr nostalgisch. Schlussendlich zeigen sie uns noch den Reaktorblock, durch ein kleines Fenster kann ich runterschauen, wo früher die Brennstäbe waren, die Ummantelung der Brennstäbe ist hochgezogen, ein paar Arbeiterfiguren kann ich erkennen, so muss es mal ausgesehen haben. Im Internet erfahren wir, dass die ersten Brennstäbe in einem Container im Meer versenkt wurden. Am Abend lesen wir noch so einige schaurige Dinge über das Nordmeer und seine Nutzung und dass wir hier regelrecht auf einem atomaren Pulverfass sitzen. Als wir die Lenin verlassen sind wir hin und weg und auf dem Weg zurück kommen wieder all diese Fragen hoch, die uns um Kopf sind. Wir drehen nochmals eine Runde durch das Bahnhofsgelände, verweilen wieder etwas auf der Brücke und ziehen dann mehr oder weniger Kreuz und Quer durch die Innenstadt. Wer glaubt, in Murmansk eine Innenstadt wie in Deutschland vorzufinden liegt falsch. Russische Städte sind oft verfallen und grau, eher farblos. Nicht wirklich schön, aber sie haben was, man muss sich nur darauf einlassen. Das gilt eh fürs ganze Land. Russland hat nur wenig Infrastruktur in unserem Sinne, aber es gibt alles, wirklich alles was man braucht. Es ist noch sehr abenteuerlich und wer mal hinter die Kulissen schauen möchte, sollte hier reisen. Allerdings sollte man es unterlassen das Land pauschal zu bewerten, zu vergleichen, wer Russland und auch die Russen so nimmt wie sie sind, kommt sehr gut zurecht und wird sich wohl, sicher und willkommen fühlen. Russen denken ganz anders als wir, sie haben eine völlig andere Kultur und das Erbe der Sowjetzeit ist nicht spurlos an den Menschen vorbeigegangen. So lassen wir Murmansk auf uns wirken und verewigen diese Stadt sogar mit einem Aufkleber auf Robbies Tür. Als wir aus der Stadt hinausfahren fällt uns wieder auf, dass viele Autofahrer ihren Daumen in unsere Richtung heben, sogar hupen und winken. Man mag uns mit unserem urigen Auto und unseren bunten Aufklebern und vermutlich auch das ausländische Kennzeichen.