Lost Places am Polarkreis

Wir sind nur noch ca. 30 Kilometer vom Artic Circle am 66.33 Breitengrad entfernt. Peter und beschließen jedoch noch mal einen kurzen Stop in Chuba einzulegen. Von anderen Reisenden hatten wir gehört, dass es dort in der Nähe ein Diving Center geben soll. Wir fahren also die kurzen 15 Kilometer rechts auf eine breite Piste nach Chuba ab. Die Straße ist erstaunlich gut und wir wundern uns über die wenigen Schlaglöcher. Als wir im Dorf ankommen sind wir begeistert. Ein wunderschöner und sehr malerischer Ort empfängt uns, damit hatten wir gar nicht gerechnet. Wir beschließen hier zu übernachten, finden aber irgendwie kein geeigneten Standplatz. Auf maps.me entdecke ich jedoch einen kleinen Abzweig, der auf eine Art Halbinsel nahe des Dorfzentrums führt und navigiere Peter in diese Richtung. Als wir uns wieder auf der Zufahrtsstraße befinden, sehe ich plötzlich ein altes Fabrikgebäude und wittere einen lost place. Trotz lausigem Wetters packt uns die Abenteuerlust und wir biegen in einen kleinen Weg ab. Auf der App sehe ich, dass wir sogar in die richtige Richtung fahren als wir plötzlich vor einem alten Fabrikgebäude stehen. Es ist arg zerfallen, wir vermuten, dass es mal ein Kieswerk war, es wirkt auf uns traurig, selbst die Bahnschienen sind mittlerweile mit Gras und Gestrüpp überwachsen und führen ins Leere. Ich steige aus, mache einige Fotos, wieder spüre ich die Trostlosigkeit dieses Ortes. Als wir tiefer ins Gelände fahren sehen wir plötzlich vor einen Gebäude einen Lada Niva stehen und auch noch einen alten Mann, der seinen Wagen dort wäscht. Vermutlich funktionieren die Wasseranschlüsse noch. Ich steige aus, begrüße ihn und frage was das für eine Fabrik mal war. Er erklärt mir einiges, was ich leider nur bruchstückhaft verstehe. Irgendetwas von Fabrik und Bürogebäude. Als wir kurze Zeit später wieder unterwegs sind und um eine Ecke fahren kommt er uns wieder entgegen. Wir halten und machen ihm verständlich, dass wir auf der Suche nach einem Schlafplatz zum Campen sind.  Er teilt uns mit, dass wir ihm folgen sollen und finden uns einige Minuten später auf einer der genialsten Standplätze wieder. Wunderschön gelegen und umrandet vom Meer. Sogar zwei Toilettenhäuschen gibt es. Wir vermuten, dass es sich um ein Freizeit- und Festivalgelände handelt, denn in der Mitte steht eine riesige Tribüne und überall stehen schön gestaltete Skulpturen aus Holz.  Es gibt auch noch Feuerstellen mit selbst gebauten Sitzbänken. Wir verlieben uns gleich, bedanken uns noch bei unserem Niva-Freund. Es ist immer wieder witzig, wie leicht es eigentlich ist schöne Standplätze zu finden, mit etwas Neugier und Abenteuerlust hat es bis jetzt immer hervorragend geklappt. Wir bleiben 2 Tage, da das Wetter gut ist und ich noch unser Mückennetz auf der Arbeitsliste habe, welches wir für die hintere Türe nähen möchten. 

 

Am Tag der Abfahrt regnet es Hunde und Katzen, wir liegen noch im Dachzelt und haben keine Lust nach draußen zu gehen. Heute wollen wir weiter in Richtung Kola-Halbinsel.  Ich stehe als erstes auf und springe ins Meer. Es fällt mir deutlich schwer, aber ich erinnere mich schnell wieder, dass wir auch durch solche Tage durch müssen. Nach einem Stehfrühstück sitzen wir irgendwann völlig durchnässt im Landy. Leider haben wir es nicht ganz geschafft im Trockenen aufzubauen. Die Fahrt geht nun weiter über den Kola Highway. Es ist wirklich grausig und dunkel als wir am Polarkreisdenkmal anhalten. So, jetzt war ich auch schon am 66.5 Breitengrad und freue mich wie ein kleines Kind. Ich klebe noch unseren TrailPunkz Aufkleber ans Denkmal und schon geht es weiter durch den Regen in Richtung Kandalaschka. 

 

Peter möchte noch in eine Werkstatt fahren bevor wir uns weiter auf der Kola-Halbinsel bewegen. Wir brauchen einige Anläufe bis wir eine geöffnete Werkstatt finden, da es schon 18:00 ist. Allerdings setzten wir darauf, dass Öffnungszeiten hier eh nur fürs Schild sind. In der Tat finden wir einen Schrauber, der uns allerdings abweist, da er zu viel zu tun hat. Vor seiner Halle stehen einige Autos verschiedener westlicher Luxusmarken und ich wundere mich noch, aber Autohäuser wie in Deutschland gibt es hier oben schlichtweg nicht. Allerdings wie in Marokko verstehen die Schrauber was von ihrem Handwerk und sind Meister im Improvisieren. Allerdings lässt er uns nicht hängen und gibt uns zu verstehen, dass wir zu seinem Kumpel fahren sollten. Er telefoniert kurz und gibt uns die Koordinaten der nächsten Werkstatt, die auch gleich ums Eck ist. Wir müssen suchen und fahren in einen Hinterhof und stehen plötzlich vor einer fast abrissreifen Halle, davor sehe ich einige Autos russischer Fabrikate, ich würde sie allerdings eher als Schrotthaufen bezeichnen. Wir sind unsicher, ob das die richtige Adresse ist, als plötzlich ein junger Mann in Mechanikerhose aus der Halle kommt und uns sogar auf Englisch freundlich begrüßt. Es ist die richtige Adresse und er hatte uns schon erwartet. Er ist sympathisch und schaut sich gleich unser Problem an. Er sagt, dass er das reparieren wird, wir sollten nur morgen um 12 wieder kommen, da es jetzt schon spät sei. Perfekt, wir freuen uns und beschließen etwas weiter außerhalb am Meer einen Übernachtungsplatz zu suchen, der auch recht schnell gefunden ist. 

 

Am nächsten Tag stehen wir pünktlich in deutscher Manier um 12 in der Werkstatt. Unser Mechaniker ist in den Startlöchern und fährt den Landy in die Halle auf die Bühne. Als ich in die Halle komme, trifft mich fast der Schlag, keine Bodenplatte, wir stehen auf dem nackten Boden. Nur der Bereich der zwei Hebebühnen ist betoniert. Völlig verrückt. Ansonsten steht die Halle voll mit Autos, die schon sehr verstaubt sind. Wir vermuten, dass sie auf Ersatzteile warten, da es sich wieder um neuere westliche Fabrikate handelt. Ich muss schmunzeln über diese Hinterhofatmosphäre. Schon in Marokko haben wir den Landy in einer solchen Bude erfolgreich reparieren lassen. Es sollte also auch hier in Russland wieder klappen. Durch die schlechten Straßen und Offroadfahrten war uns eine Schraube vom hinteren Dämpfer verloren gegangen. Es dauert keine 3 Stunden und unser Auto ist wieder im offroadtauglichem Zustand versetzt und das für nur umgerechnet 35 Euro. Wir wundern uns noch über den kleinen Preis, in Deutschland hätten wir das nicht unter 200 Euro Arbeitslohn bekommen. Wir beschließen wieder zu unserem Standplatz zu fahren und treffen dann am Abend noch auf eine Gruppe junger Camper mit denen wir schnell Freundschaft schließen und bis ca. 4 Uhr in der Nacht bei Wein und Bier zusammensitzen. Am nächsten Morgen geht es besonders mir entsprechend schlecht und wir beschließen noch eine Nacht hier zu bleiben. Immer wieder wundert es mich wie schnell wir Kontakt zu den Einheimischen bekommen und fast immer ist der erste Türöffner unser Auto. Auf einen anderen LKW-ReiseBlog hatte ich mal vor einiger Zeit gelesen, dass die Russen eher desinteressiert seien und man mit ihnen kaum in Kontakt kommt. Peter und ich schmunzeln immer wieder darüber. Wir haben wirklich noch nie so viele neugierige und interessierte Menschen getroffen wie hier. Das erstaunt uns immer wieder. Die Russen sind, so wie sie uns jedenfalls bis jetzt begegnet sind, sehr offen, hilfsbereit, gastfreundlich, haben den gleichen Humor wie wir und sind überaus korrekt und ehrlich. Wir fühlen uns jedenfalls sehr wohl und auch willkommen. 

 

 

Es geht nun weiter auf Entdeckungsfahrt auf der Kola-Halbinsel, wir sind gespannt, was uns hier erwarten wird.