Offroad zu Land und zu Wasser

Wir sitzen wieder auf der Fähre in Richtung Kem und ich habe wieder etwas Zeit, die letzten Erlebnisse sacken zu lassen. Von der Insel Soloveski  hatten wir eigentlich viel mehr erwartet, trotzdem gab es viele Gründe nicht enttäuscht zu sein. Aber alles der Reihe nach. Am Samstag als wir angekommen waren, hatten wir uns vorgenommen eine Nacht zu bleiben falls wir eine Unterkunft finden. Als wir am Hafen ankommen werden wir schon von den wartenden „Hotelschleppern“ empfangen. Sie halten Schilder hoch mit freien Unterkünften oder bieten den Ankommenden Inseltouren an. Allerdings ist die Ansprache höflich und sehr angenehm. Nicht zu vergleichen mit afrikanischen Reiseländer. Auch wir kommen gleich mit einer jungen Frau in Kontakt, leider spricht sie kein Englisch, wir verständigen uns wie immer mit Händen und Füßen inkl. ÜbersetzungsApp. Es ist mal wieder lustig und wir werden uns handelseinig. Sie macht uns noch verständlich, dass sie einen Tourguide im Team haben, der  Englisch spricht und übersetzen kann. Kurz darauf lernen wir Andrej kennen, einen sympathischen jungen Mann, der im Hotel als Guide arbeitet. Er spricht hervorragend Englisch und begleitet uns zu unserer heutigen Unterkunft. Das Hotel ist vielmehr ein Hostel im karelischem Stil. Wir fühlen uns gleich sehr wohl, alle sind freundlich und unsere Unterkunft macht einen super Eindruck. Es hat 10 kleine, geräumige und saubere Zimmer mit russischer Einrichtung. Alles ist aus Holz, zwei kleine schmale Betten mit bunten Bettbezügen, an den Fenstern hängen lustige Gardinen. Ich komme mir vor wie in einer urigen Berghütte. Wir haben ein eigenes kleines Bad, die Dusche, welche außerhalb in einem Extrazimmer liegt, teilen wir uns mit den anderen Gästen. Man bittet uns in den Frühstücksraum und fragt uns, ob wir einen Kaffee möchten. Es sitzen noch einige andere Gäste an den Tischen und die Stimmung ist heiter. Bei mir kommt Skihüttenfeeling auf, hinter der Theke steht eine Frau, urigerweise auch noch in einem für mich typischen Dienstmädchenlook vergangener Zeiten, sie ist lustig, russisch kernig, und hat den Laden voll im Griff, trotz lebhafter Stimmung. Uns fällt auf, dass jedes Gericht frisch hinter der Theke von ihr gekocht und auf schrulligen Tellern serviert wird. Wir bekommen Pfannekuchen und Tee. Es gibt immer nur ein Gericht und der Gast isst das was ihm hingestellt wird. Wir schmunzeln und genießen diese urige Atmosphäre. Die anderen Gäste merken schnell, dass wir Ausländer sind und nicken freundlich, man spricht uns an und es entstehen lustige Gesprächsituation, die wir so lieben. Wir sind froh wieder hier gelandet zu sein, als ob wir sowas förmlich anziehen. Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, wollen wir das Kloster besichtigen. Der Himmel ist blau und es bietet sich wunderbares Fotowetter. Wir verbringen einige Zeit dort und schlendern durch die Gegend. Uns fällt wieder auf, das alles sehr verfallen wirkt. Die ganze Insel hat eine lausige Infrastuktur,  von gar touristischer Infrastruktur kann gar keine Rede sein. Wobei die Insel zu den besonderen Zielen in Russland gehört und auch das Kloster zum UNESCO Weltkulturerbe. Die Straße bestehen ausschließlich aus staubigen Pisten, hin und wieder findet sich ein kleiner Laden oder ein Cafe, das mehr einer Trinkhalle gleicht. Wir gehen trotzdem überall rein und sind neugierig. Ich stecke sogar meine Nase in ein uraltes verfallenes Gebäude, rein zufällig hatte ich auf der Hinterseite eine schwere Tür entdeckt, die offen steht. Die Neugier treibt mich und ich stelle mit Entsetzen fest, dass dies das Krankenhaus ist. Es riecht muffig und es scheint aus vergangenen Zeiten zu sein. Wie immer stelle ich mir die Frage, wenn die Wände mit mir sprechen könnten, was würden sie erzählen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es verlassen ist, aber als ich durch den ersten Raum gehe und durch eine geöffnete Tür auf dem Flur gelange, höre ich Geräusche und ein Poltern. Alles ist dunkel, aber es scheint nicht unbenutzt zu sein. Ich bekomme nun doch etwas Muffe und laufe schnell wieder zu dem dunklen Zimmer mit der Eisentür nach draußen. Ich lehne noch die Tür leise an, um ja keinen Krach zu machen und eile durch das hohe Gras wieder auf dem Hauptweg und tue so als ob nichts gewesen wäre. Peter war die ganze Zeit draußen gewesen und hatte Fotos gemacht. Wir schlendern weiter durch den Ort und ich merke plötzlich, dass mir überall in jeder Ecke skurrile Dinge auffallen. Ich entdecke ein Telefonhäuschen an einer Wand, finde alte rostige LKWs aus alten Tagen, mich treibt es jetzt immer mehr in die Hinterhöfe und hinter Häuser, wo sich unter anderem herrliche Fotomotive bieten. So tingeln wir nun mit der Kamera bewaffnet durch den Ort und ich werde zum rasenden Reporter. Der Knaller ist dann schlussendlich der Flughafen. Ein wirklich schrulliges Gebäude mit Tower, wir entdecken sogar einen modernen kleinen Flieger, und eine vermutlich intakte Landepiste. Ich komme mir vor wie in Afrika auf einer Buschpiste, ich kann mich gar nicht sattsehen und der Auslöser der Kamera kommt nicht zur Ruhe. Wieder stellen wir uns die übliche Frage des Verfalls und spinnen Ideen, was man alles machen könnte. Logischerweise kennen wir die Antwort selbst, das leider alles natürlich mit dem Geldmangel in Russland zu tun hat. Es wird Abend und wir beschließen wieder zum Hostel zurück zukehren. Dort abgekommen legen wir uns noch etwas ab bevor wir uns wieder aufmachen was essbares zu finden. Lustigerweise landen wir in einer Fischbude, die uns am Nachmittag aufgefallen war. Von außen gefällt uns der Laden, sehen aber zunächst keine  Menschenseele, als wir dann reingehen ist das Lokal bis auf den letzten Platz gefüllt. Es ist urig hier und die Karte ist klein. Ein gutes Zeichen, wir bleiben und bekommen für umgerechnet 23 € das beste russische Essen bislang auf der Reise inkl. Getränke und Wodka. Wir sind überwältigt von der Qualität und vom Geschmack. Irgendwann zieht es uns dann doch uns Bett, obwohl es um 12 h in der Nacht taghell ist dank der weißen Nächte. Die Nacht schlafen wir beide gut. Am nächsten Morgen haben wir eine Sightseeingtour über die Insel mit Andrej gebucht. Die Tour ist in Russisch, aber er übersetzt immer wieder für uns. Die Gruppe besteht aus ca. 20 Personen und fahren mit 2 Kleinbussen zu einzelnen Sehenswürdigkeiten, wie zb. ein weiteres Kloster und diversen Naturplätzen auf der Insel. Die Tour für sich ist schon sehr schön, aber noch viel mehr Spaß macht mir die Fahrt über die Pisten. Über übelste Offroad Pisten gesprickt mit tiefen Wasserschlaglöchern geht es ca. 3,5 h heftigst zur Sache. Der Fahrer fährt natürlich „russisch“, mit ordentlichem Tempo, allerdings empfinde ich seine Fahrt als sicher, auch wenn er nicht wirklich fahrgastfreudlich den Bus vorwärts bewegt. Gekonnt lässt er den Bus über jeden Stein springen, wir rumpeln Anstiege hoch und ballern durch Wassersenken. Mal wiegt sich der Bus auf die Seite, mal lupft er hoch und kommt dann wieder hart auf, so dass es uns nur so aus den Sitzen hebt. Ich wundere mich noch, da der Bus ja eigentlich nicht offroad-tauglich ist. Als wir stoppen sehe ich, das er höher gelegt ist und Zwillingsreifen hat. Jetzt wird mir einiges klar und der V8 unter der Motorhaube nimmt mir die letzten Zweifel an seiner Offroadtauglichkeit. Wir sind in Russland, da sollte mich doch nichts wundern. Als wir zum Mittagessen wieder im Hostel sind treffen Peter und ich noch auf Olga und Serge, die zum Essen da sind. Es entwickelt sich ein Gespräch und ich muss einen Wodka trinken, der nicht alleine bleiben will. Ich bin froh als Olga plötzlich zum Aufbruch bläst und ich befreit bin. Auf eine Wodka-Orgie wie damals in Prag mir Natscha und Oleg, habe ich definitiv keine Lust. 

 

Vielleicht hätte ich doch gut daran getan, denn die Überfahrt zurück nach Kem gestaltet sich wiederum als Offroad-Partie. Nur dieses Mal auf dem Wasser. Es scheint so, dass dieser Tag dem Offroad-Gott gewidmet ist , ich aber ehrlich gesagt gerade froh bin, wenn wir bald im Hafen einlaufen. Es bleibt also wie immer schrullig und jeder Tag hat eine neue Reiseerfahrung.