Neue Freunde in Petrosavosk

Nach vergeblicher Stellplatzsuche am nächsten Tag entscheiden wir gleich weiter in Richtung Petrosavosk zu fahren, dort gsoll es einen kleinen Campingplatz mit heißen Dusche geben. Die Fahrerei gestaltet sich dieses Mal nicht so schwierig wie an den ersten Tagen, der Verkehr ist zwar noch wild unterwegs, allerdings nimmt die Verkehrsdichte extrem ab, so dass es machbar ist. Den Platz finden wir dank GPS ohne Probleme und als wir durchs Tor fahren treffen wir auch schon auf 3 Womos. 2 Deutsche und ein holländisches Paar. Wir kommen mit allen schnell in Kontakt und es entwickeln sich wieder schöne Gespräche über unsere Autos und über die Reise. Wir tauschen Tipps und Erfahrungen aus. Alle sind entspannt und positiv und wir stellen fest, dass Womofahrer hier oben von einem anderen Schlag sind. Es sind vielmehr Abenteuer und Menschen, die auch mit ungewohnten Situationen umgehen können. Von Heino und Atje aus den Niederlanden bekommen wir wertvolle Tipps für den Besuch der Kola-Halbinsel und auch sonst entwickelt sich ein spannendes Gespräch über das Reisen außerhalb von Europa. Sie waren bereits mit Ihrem Auto in Iran und Vorderasien unterwegs und haben einige lustige Geschichten zu erzählen. 

 

Als wir beim Zubereiten des Abendessens sind steht plötzlich ein junges Paar vor Robbie und spricht uns an, sie sind neugierig geworden als sie den Landy gesehen haben. Wie so oft zeigen wir Ihnen Robbies Innenleben und sprechen über unsere Reise in Russland. Juri und Irina kommen aus St. Petersburg und sind mit Ihrem Boot unterwegs und haben am Campingplatz Anker geworfen. Beide sprechen sehr gut Englisch und ein Gespräch ist absolut easy und sehr unkompliziert. Sie laden uns ein nach dem Abendbrot ihr Boot zu zeigen. Wir sagen natürlich zu und es entwickelt sich wieder mal ein super Abend. Wir reden viel über unsere Heimatländer. Ich bin wirklich neugierig sie kennen zu lernen, zu wissen was sie umtreibt und wie sie leben. So wie ich es verstanden habe war Juri Personalberater und arbeitet nun im Bereich der Immobiliensanierung und Irina ist Mitarbeiterin in einer Partnervermittlungsagentur. Juri und Irina machen auf uns einen sehr bodenständigen und reflektierten Eindruck. Wir reden viel über die Geschichte und auch die wirtschaftliche Situation Russlands, die das Handeln und Denken der Menschen im Land beeinflusst. Beispielsweise erzählen sie uns über die alte Sowjet-Mentalität, die vor allem die ältere Generation noch inne hat, aber auch teilweise auf jüngere Russen durch Tradition und Erziehung übertragen wird und dies absolut unverständlich in den Augen unsrer Freunde erscheint. Ich denke darüber sehr viel nach und versuche die Erfahrungen der ersten Tage im Hinblick auf diese Tatsache nochmal zu hinterfragen. Die Sowjet-Mentalität wird von unseren Freunden als streng und eher grimmig beschrieben, was sich oft auch in einem konsequenten „Nijet“ auf eine Frage ohne weitere Informationen äußern kann. Es gab in der Tat einige Situationen in denen uns Russen in dieser Mentalität begegnet sind, aber auf der anderen Seite viel mehr offene, freundliche und extrem hilfsbereite Menschen, die sich den Gepflogenheiten einer offenen modernen Welt angepasst haben. Ich dachte immer, dass dieses Phänomen nur eine gewisse Sicht des Westens auf Russland war. Umso mehr erstaunt es mich, dass unsere einheimischen Freunde diesen Eindruck bestätigen. Selbst im Reiseführer wurde dieses Phänomen in einem Absatz kurz beschrieben, welches man aber nie auf sich beziehen sollte, sondern schlussendlich nur ein "culturel thing" sei. Wirklich spannend, dies nun so auch von lokalen Menschen zu hören. Gleichermaßen auch sehr erleichternd, da es mir hilft Reaktionen besser einzuordnen, warum einige Menschen in gewissen Situationen für mich ungewohnt reagieren, aber für sie selber dies vermutlich absolute Normalität ohne bösen Hintergrund mir darstellt.

 

Die darauffolgenden Tage verbringen wir am Campingplatz, wir haben einige Kleinigkeiten am Auto zu erledigen und auch etwas Haushalt abzuarbeiten. Peter und ich beschließen am Abend unsere neuen Freunden zum Abendessen einzulassen und wir tauen immer mehr auf. Wir reden über unsere Lebensträume, unser Leben an sich, wenn wir nicht reisen, witzeln über die Weltpolitik, ziehen Trump, Merkel und Putin durch den Kakao und haben einfach eine gute Zeit bei Pasta und iranischem Tee und russischem Bier. 

 

 

Der nächste Tag geht gleich weiter so. Wieder sitzen wir am Morgen zusammen und frühstücken dieses Mal auf russisch mit Fisch, Suppe und Salat. Am Nachmittag wollen Peter und ich in die Stadt. Wir brauchen noch Gas und etwas Lebensmittel als Juri am Landy vorbeikommt und sagt, wir sollten mitkommen, Freunde aus Petrosavosk wären da und würden uns alle zum Kaffee und Kuchen einladen und es würde in 15 Minuten los gehen. Wir sind natürlich mit von der Partie und sitzen wenig später zu Siebt in einem Land Cruser. Juri, Irina, Peter, ich, Valdimir, seine Frau und seine Tochter und auch ihr Kater Keks sind mit dabei. Lachend und in allen Sprachen sprechend geht es im russischen Fahrstil durch die Stadt. Juri und ich gucken uns an und ich kann mir das Grinsen nicht verkneifen. So fahren wir flotten Reifens durch Petrosavosk und finden uns eine gewisse Zeit später im russischem Wohnzimmer wieder, was sich eigentlich nicht wirklich von einem deutschen Wohnzimmer unterscheidet. Es gibt Kuchen, Windbeutel, Obst, Tee und später noch etwas Suppe. Vladimir und seine Frau sind sehr herzlich, Juri übersetzt, da sie kein Englisch sprechen. Allerdings klappt die Verständigung auch ohne Übersetzung. Immer wieder schnappe ich einige Worte auf, die mir bekannt vorkommen und so bekomme ich am Rande mit worum es geht. Wir reden übers Angeln, wo man Gas bekommt, über den Landy und über Boote, natürlich auch über Russland und Deutschland. Alles sehr, sehr lustig und so verbringen wir wieder einen Nachmittag, der uns als unwiederbringliche Reiseerfahrung in Erinnerung bleiben wird. Gerade diese Situationen liebe ich immer wieder. Oft lösen sich dadurch auch kleinere organisatorische Probleme und Stolpersteine. Vladimir fährt uns zu einem Shop, wo wir eine neue Gasflasche kaufen können und er schenkt Peter die fehlenden Teile seiner Angelausrüstung. An dieser Stelle nochmals ein riesengroßes Spasiba und Danke an Vladimir für den unvergesslichen Nachmittag und Gastfreundschaft in seinem Wohnzimmer. Wir werden nun weiter in Karelien abtauchen und irgendwo weiter nördlich wieder auf unsere Freunde treffen, denn auch in Russland gibt es WhatsApp und einen weiterer Outdoorabend am Lagerfeuer ist schon geplant.