Wilder Ritt in die Wildnis

Am Nächten Morgen fahren wir immer weiter raus aus St. Petersburg, es ist Samstag und der Stau ist ungeheuerlich, es dauert geschlagene 2 h bis wir halbwegs wieder fahren können. Unterwegs haben schon einige ältere Fahrzeuge schlapp gemacht und stehen mit rauchendem Kühler am Straßenrand. Wir kommen insgesamt an diesem Tag nur 75 km weit, selbst Peter ist von der Fahrerei. Er kann in der Regel einiges ab und ist durchaus sehr gut in der Lage es auch mit übelsten Verkehrssituationen aufzunehmen. Selbst auf der Autobahn fahren einige noch Rennen ohne Rücksicht auf die anderen Verkehrsteilnehmer, einige Male werden wir bös geschnitten, obwohl genug Platz ist. Zunächst nehmen wir es „persönlich“, stellen dann fest, dass es allen auch so geht. In Russland braucht es gute Nerven, Glück, Mut, beste Reaktion beim Autofahren. Ich beschließe daher mit Peters OK meinen Fahranteil auf die ruhigeren Gebiete im Norden zu verlegen. Irgendwann verlässt uns die Lust und fahren spontan rechts in einem Waldweg, um an den See zu gelangen. Auf dem GPS sehen wir, dass kleine Wege zum See führen. Der Weg ist eng, verwurzelt und wir werden ordentlich durchgeschüttelt, aber für Robbie kein Problem als wir zu einer Lichtung kommen und den See erkennen können. 

 

Wir sind nicht die einzigen, die zu diesem wunderschönen Ort gefunden haben. Es ist Wochenende und einige einheimische Camper stehen mit ihren Fahrzeugen in guten Abständen am Ufer, so dass jeder noch genügend Privatsphäre hat. Wir fahren ein Stück weiter den Weg entlang und finden unseren Standplatz mit Feuerstelle. Wir parken und fangen an aufzubauen. Nach guten 10 Minuten haben die anderen Camper um uns herum Notiz von Robbie genommen und es beginnt regelrecht eine Wanderschaft um unser Auto herum. Zwar immer „unauffällig“ in einem gewissen Abstand, aber noch nah genug, dass die Kinder und auch Papa reingucken können. Wir schmunzeln und ich winke teilweise zu. Einige fühlen sich ertappt, andere schmunzeln und heben den Daumen in unsere Richtung. Nur Vitali vom Nachbarplatz kommt gleich direkt interessiert auf uns zu und fragt Peter, ob er evtl. Brennholz fürs Feuer bräuchte. Er erklärt uns im russischen Englisch, dass er eine Motorsäge dabei habe und die Männer verschwinden gleich in den Wald. Ich muss schmunzeln, da ich genau weiß, dass Peter daran Spaß hat. In der Zwischenzeit hat auch Vitalis Frau zu mir Kontakt aufgenommen, sie spricht weniger Englisch, aber die Verständigung klappt trotzdem gut, wir sind uns gleich sympathisch und werden zum Abend am Lagerfeuer eingeladen. Nach dem Abendessen ziehen wir also rüber zu unseren russischen Freunden und verbringen einen super Abend zusammen. Wir quatschen über Fussball, unsere Reise, über Russland und verfluchen russische Oligarchen in dem wir die Alubüxen ins Feuer werfen und sie zur Hölle fahren lassen. Ich verstehe zunächst nix, aber ich wundere mich, dass sie die Büxen verbrennen, werfe dann aber schlechten Gewissens meine mit einem englischen Fluch hinein. Teilwiese wird der Umweltschutz nicht so genau genommen, immer wieder sehen wir kleinere illegale Müllkippen im Wald auf abgelegenen Wegen, auf denen sogar Sondermüll wie Kühlschränke oder Autoteile entsorgt wurden. Am nächsten Morgen verbringen wir noch einige Zeit mit unseren Freunden am Feuer und gehen zusammen am Strand spazieren. 

 

Als sie dann am späten Nachmittag aufbrechen lichtet sich langsam das Feld und wir sind wieder alleine an unserem Strand. Wir genießen die Ruhe und das Rauschen des Sees. Wir beschließen noch einen Tag zu bleiben, da Vitali uns dies geraten hatte, da der Verkehr in der Woche ruhiger sei. Er habe selbst keine Lust aufzubrechen, aber die Arbeit rufe. Peter und ich denken noch kurz nach, welchen Wochentag wir haben. Wir verlieren langsam das Gefühl für Raum und Zeit. 

 

 

So tingeln wir immer weiter gen Norden in Richtung Petrosavosk, das sogenannte Tor nach Karelien. Wir nächtigen noch einige Male im Wald auf wunderschönen Stellplätzen, die wir mittlerweile gut finden und teilweise auf abenteuerlichen Wegen zu erreichen sind. Die Russen sind definitiv schmerzfrei. Einige Male treten wir den geordneten Rückzug vor maroden Brücken an. Immer wieder gelangen wir so an interessante Orte und entdecken das russische Hinterland. Wir müssen erkennen, das es doch noch viel Armut auf dem Land gibt und viele Menschen sehr, sehr einfach leben. Auch die kleineren Städte sind oft marode, zwar gepflegt und aufgeräumt, jedoch ist immerzu eine gewisse Depression zu spüren. Es sind keine bunten Städte mit Glasbauten und Werbung an den Straßen. Alles ist irgendwie grau und auch die Menschen erscheinen uns grauer als anderswo. Die Gebäude und Monumente erinnern an die Sowjetzeit, die Zeit scheint stehen geblieben zu sein. Allerdings gibt es alles zu kaufen, was es auch in Deutschland gibt. Die Versorgung ist flächendeckend, die Regale sind voll, jedoch sind viele Lebensmittel auf Masse produziert, leider noch wenig individuell wie z.B. in den baltischen Staaten. Wir kommen klar und beobachten alles genau mit einem interessierten Auge. Dies macht unsere Reise aus, beobachten, nicht werten, hinterfragen, vielleicht Vergleiche ziehen zwischen den einzelnen Ländern, Regionen und Menschen. Mir macht es besonders viel Spaß über diese Dinge nachzudenken, das macht es erst spannend.