3 Jahre Urlaub und gammeln

Wir verlassen nun die baltischen Staaten, wir sitzen gerade auf der Fähre nach Helsinki und ich habe etwas Zeit meine Gedanken schweifen zu lassen. Die letzten Reisetage waren sehr gefüllt mit Programm und Aktion. Ich stelle aber fest, dass wir nicht zu schnell unterwegs sind und wir auch die Muße haben uns mit den Menschen, die wir treffen oder Orten zu beschäftigen. Dies ist für mich sehr wichtig, da sonst sehr viel einfach so an mir vorbei zu fliegen scheint. 

 

Wir sind nun offiziell seit dem 23. Januar unterwegs. Unser Leben als fahrendes Volk scheint sich mehr und mehr einzugroove, wir gewöhnen uns gut an unser neues Leben und ich staune immer wieder wie leicht es mir fällt mit wenigen Dingen auszukommen und auch auf eine warme Dusche verzichten zu können. Auch macht mir Kälte nicht mehr so viel aus wie früher und ich spüre wie mein Körper sich immer mehr abhärtet. Eine wirklich interessante Erfahrung, ein bisschen das Gefühl von Freiheit und Wildnis will da manchmal in uns aufkommen, obwohl ich weiß, dass gleich hinter der nächsten Ecke des wilden Standplatzes die Zivilisation mit allem herrlichen Komfort und wunderbaren Verlockungen nach mir schreit. Ich muss zugeben, dass ich zwar das wilde Leben liebe, aber mich gerne vom süßen Leben einfangen lasse. Nichts ist schöner als eine lange warme Dusche nach einer Woche Waschen in Meer oder im Fluß oder Katzenwäsche am Landy aus dem Wassersack.

 

Die baltischen Staaten bieten sich als Einfahrtour an. Man hat Wildnis, aber auch Zivilisation. Alle 3 Länder sind nahezu auf deutschen Niveau, wobei die Baltics noch lange nicht „zugebaut“ bzw. „versiegelt“ sind wie Deutschland. Es gibt wirklich noch sehr viel Natur und Wald. Vor allem sind die meisten Wälder und Küstenabschnitte individuell und wild für Menschen zugänglich, ohne dass man sich gleich an einem Touristen HotSpot mit entsprechender Infrastruktur wiederfindet, die zwar alle Annehmlichkeiten bietet, aber auch mit Regelungen einhergeht. 

 

Wir sind nun auf dem Weg nach Russland, wir sind gespannt was uns in Karelien erwartet. Manchmal ertappe ich mich, dass ich Hamsterkäufe einplanen will, ich habe eine alberne Angst, dass ich nichts zu essen bekomme oder auch kein Getränk. Vermutlich ein Erziehungsfehler, der bei mir im Kopf haftet wie altes Kaugummi, dass Deutschland der Nabel der Welt ist und nur hier mir Sicherheit und Komfort geboten wird. Aber wer mal auf Reisen war, weiß genau, dass es fast überall fast alles gibt, zumindest für unsere „Gehaltsklassen aus der sogenannten ersten Welt“. Ich muss mir also keine Sorgen machen an frisches Wasser zu kommen. Übrigens gibt es das in regelmäßigen Abständen angeblich kostenlos an der Hauptautobahn, die durch Karelien führt. Mein Wasserproblem wäre damit gelöst. Unsere Welt ist nicht stehen geblieben und während Deutschland sich weiterentwickelt hat, haben andere Länder das gleiche getan. Es wundert mich immer wieder, aber ich habe in den letzten Wochen vereinzelt Reisende getroffen, die wirklich glaubten, dass sie gewisse Dinge nicht so gut bekommen wie in Deutschland. Vielmehr ist es so, dass man nicht weiß wo man es bekommt. Dies ist eigentlich das größte Thema. Man muss auf der Reise einfach alles herausfinden und selbst organisieren. Nichts ist Routine und geht glatt von der Hand. Sei es Lebensmitteleinkäufe, Geld abheben, Autoreparaturen, Ersatzteile kaufen, Kleidung zu waschen, einen Arzt oder ein bestimmtes Medikament zu finden, schlussendlich findet es sich immer irgendwie eine Lösung, die jedoch immer mit Aufwand verbunden ist. Soviel dazu zum Thema „Ihr macht doch Urlaub“ oder es gab auch die Aussage „Ihr gammelt dann mal 3 Jahre“ Urlaub und Rumgammeln sieht bei mir in der Regel anders aus, ich würde es eher so sagen „Ihr seid doch mal eine Zeit lang frei“. Peter und ich witzeln gerne und oft darüber und haben unserem Blog den Arbeitstitel gammelbrüder.com gegeben.

 

Es bleibt also spannend auf gammelbrüder.com aka trailpunkz.com