Nomaden sind nie alleine

Es sind schon wieder einige Tage vergangen, momentan befinden wir uns auf Saaremaa, die größte Insel Estlands, aber zunächst noch mal eben zurückspulen. Von Litauen springt man mal eben nicht nach Estland. Nachdem wir die Kurische Nehrung in Richtung Lettland verlassen hatten, sind wir immer weiter nordwärts an der Ostsee entlang gefahren. Die Küstenstraße in Richtung Ventspils ist relativ unspektakulär, wir kommen auf gutem Asphalt recht zügig voran, immer wieder verlassen wir die Hauptstraße und fahren abseits ein paar kleinere Offroad- Abenteuer zu wirklich schönen Standplätzen. Langeweile will hier nicht aufkommen.

 

Nach guten 200 km finden wir einen lauschigen kleinen Campingplatz direkt an der Küste, der überwiegend von Einheimischen genutzt wird. Wir stellen den Landy an einem schönen, aber windigen Platz an der Küstenlinie mit Blick auf das Meer ab und bekommen sogleich Besuch von zwei lustigen Einheimischen, die schon etwas angetrunken zu sein scheinen. Man bietet uns billigen Brandy an und sie versuchen uns gleich über das Auto auszufragen, was sich leider recht schwierig gestaltet, da sie kein Englisch sprechen und wir kein Lettisch. Aber wie schon in Marokko erlebt, kennt man einen in der der Familie, der Englisch spricht und eine Kommunikation möglich macht. Über Handy mit dem Sohn eines unserer Fans beginnt ein lustiges lebhaftes Gespräch über Robbie und über unsere Reise. Es amüsiert uns immer wieder, dass die Kommunikation im Ausland trotz Sprachhürden immer wieder tadellos funktioniert und so verabschieden sich unsere netten Besucher nach einiger Zeit und wir wünschen uns gegenseitig eine gute und sichere Reise.

 

Am nächsten Tag brechen wir in Richtung Kolka-Kap auf. Die Straße dorthin hat einen gewissen historischen Ansatz. Zu Sowjetzeiten war diese nur dem Militär vorbehalten und diente auch als Landebahn. Nicht umsonst präsentiert sich die Straße als breiteste Straße Lettlands, bestens ausgebaut und gut fahrbar. Wir spulen zig Kilometer runter und sehen nur selten ein entgegenkommendes Auto. Schon fast langweilig könnte man meinen, aber immer wieder fahren wir kleine Abstecher und gelangen durch tiefe Wälder und über enge Pisten zu kleinen Dörfern, die noch den Charme der alten Zeit versprühen. So hangeln wir uns immer weiter hoch in Richtung Kap. Als ich kurz anhalte, um meine Mütze aus der Tasche zu holen, sehe ich aus der Ferne einen Kastenwagen auf uns zukommen, der dann gleich vor uns zum Stehen kommt. Wir können es nicht fassen, es ist Wolfgang, einen alleinreisender Overlander, den wir schon in Vilnius und auf einigen anderen Plätzen getroffen haben. Wir fahren irgendwie die gleiche Route. Die Camperdichte ist in den baltischen Ländern eh relativ dünn momentan, noch scheint die Saison nicht losgegangen zu sein und immer wieder treffen wir auf Reisende, die wir am Fahrzeug wieder erkennen. Wir lachen und begrüßen uns mit Wolfgang und tauschen uns aus wohin die Weiterreise geht. Wir teilen ihm mit, dass wir unterwegs zum Kolka-Kap sind, er erzählt uns dass es hinter Kolka zwar einen Platz gibt, der aber nicht wirklich gut sein soll und er vermutlich was zum frei Stehen suchen wird. Peter und ich beschließen ähnliches zu tun und fahren zunächst weiter zum Kolka-Kap hoch. Dort angekommen erkunden wir am frühen Abend noch den Beach und das Kap. Wir nehmen noch einen Drink und setzen die Fahrt fort. In der Tat entpuppt sich der Campingplatz in Kolka als unpassend. Keine Sau ist dort anzutreffen und so fahren wir einfach weiter und ich entdecke schlussendlich einen Platz auf maps.me. Als wir durch das Tor fahren müssen wir herzhaft lachen, da auch Wolfgang schon wieder da steht. Er hatte offensichtlich den gleichen Riecher wie wir. Der Platz ist wunderschön am Strand gelegen, einfach genial, wir sind alle begeistert. Sogar ein angeschlossenes Restaurant mit Bar und funktionierendem Wlan, was für den Reisenden wichtig sein kann. Als wir an der Bar vor unserem Bier sitzen sehen wir plötzlich einen riesigen Offroad-LKW durchs Tor fahren. Wir spitzen die Augen und schauen, ob es was Bekanntes ist. Interessiert schauen wir dem Truck nach als er sich zwischen Wolfgang und Robbie gesellt. Ich denke noch, na endlich, dann sind wir schon zu zweit mit Stollenreifen, als ein weiterer Unimog durchs Tor fährt und sich noch zwischen dem LKW und uns stellt. Ich witzel noch und freue mich über das gelungene Line up. Endlich sind wir mit unseren Offroad-Fahrzeugen in der Überzahl auf dem Campingplatz und schmunzel in mich rein. Als wir zum Landy zurückkehren ist der Kontakt zu den anderen Reisenden schnell geschlossen. Auch Wolfgang steht schon in der Runde als wir uns dazu gesellen, um hallo zu sagen. Nette Gespräche über alle Reiserouten und über unsere Fahrzeuge entwickeln sich und wir verabreden uns gleich zum Lagerfeuer zwischen den Trucks. Der Abend verläuft super lustig, wir haben riesig Spaß und sitzen mit 8 Verrückten zusammen. Ich versuche mir extra die Namen der Kollegen einzuprägen für den Blogbeitrag. Also die Besetzung im Unimog sind Henrik, Cedrick und Sandra, die zwei Wochen unterwegs sind und sich nun auf der Heimreise nach Bayern befinden. Das Truckerteam im LKW sind Jörg und Annette aus Bieberach, die einen 4+ Wochentrip unter die Stollen nehmen. Dann natürlich noch Wolfgang im Kastenwagen und wir mit Robbie. Eine richtig coole Runde, der Abend wird mir noch sehr, sehr lange in Erinnerung bleiben. Alles Menschen, die das Reisen und Camping lieben, offen sind und positiv unterwegs sind. Wir sitzen noch ewig zusammen und genießen die weiße Nacht, die einfach nicht enden will. Um ca. 2:30 schaffe ich es gut angetrunken ins Bett. Am nächsten Morgen geht es mir nicht wirklich gut, „zu viele Drinks, zu wenig Schlaf" ….schreibe ich noch auf Facebook, …"wenn man mit Truckern und Kastenwagenfahrern zusammensitzt, dann wird das was“. Die anderen scheinen auch zu leiden, alles lacht aber und ist gut drauf. Wolfgang packt als erster zusammen und verabschiedet sich in Richtung Riga. Jörg und Anette fahren als zweites Team vom Platz und lassen noch die Tuck-Trompete zum Gruß ertönen. Herrlich, so was will ich auch noch irgendwann am Landy haben, beschließe ich und winke kräftig. Sie wollen auch in Richtung Riga fahren. Sandra, Cedric und Henrik fahren dann kurze Zeit später ab. Sie wollen die Fähre nach Deutschland nehmen. Peter und ich sind nun wieder alleine und kramen unser Zeug zusammen. Wir hatten in zwei Tagen den Landy von innen nach außen gezogen. Alles liegt ums Auto herum, bedingt durch den wenigen Platz den wir innen haben. Aber auch irgendwann sind wir startklar, Robbie ist gesattelt für Riga. Wir fahren immer an der Riggter Bucht entlang, stoppen eine Nacht in Jurmala bevor wir am frühen Nachmittag auf dem City Camping in Riga landen. Wolfgang steht natürlich schon da, ich entdecke seinen Kastenwagen nur schwer, der Platz ist überwiegend mit größeren mit Wohnmobilen belegt. Es ist voll, wir merken, dass dies einer der Hauptrouten ist. Riga wollen sie alle hin, so wie wir. Wir bauen alles auf und radeln dann in Richtung Stadt einen kurzen Vorgeschmack holen. In ca. 10 Minuten haben wir die Stadt mit unseren Klapprädern erreicht. Wir schlendern etwas umher und versacken in einem Biergarten.  

Das Sightseeing-Program haben wir uns für den nächsten Tag aufgehoben. Gemütlich lassen wir die Stadt an uns vorbeiziehen. Wir sehen den typischen pragmatischen Tourist vom Campingplatz, viele gepflegte Kreuzfahrer, die auf Landgang sind und einige reiche Russen und auch diverse Männergruppen auf Trinktour. Riga ist wunderschön und es gibt viel zu entdecken. Ich wundere mich noch, wie modern die Städte des Ostens sind und das mein Reiseradius bislang nur im Westen lag. Ich ärgere mich darüber, dass ich nicht schon früher hier her gekommen bin, stattdessen zog es mich zum x-ten Mal nach Barcelona, das nur so von hektischen Touristen übervölkert ist. 

 

Allgemein erscheinen mir die baltischen Staaten noch nicht zu überlaufen, wobei die Mega-Wohnmobilfahrer anfangen hier in Gruppenstärke einzufallen, was den Ländern meiner Meinung nach nicht wirklich gut tut. Ich sehe es halt schon kritisch mit größeren Gruppen zu reisen. Sei es als Womogruppe oder 4x4 Gruppe. Das spielt keine Rolle. Man ist immer auffälliger und wird manchmal leider als fahrende Geldbörse gesehen, hat weniger Kontakt zur einheimischen Bevölkerung. Nun gut, ich kann es nicht aufhalten, ist mir aber bereits in Marokko aufgefallen.

 

 

Wir bleiben gute 2 Tage in Riga, haben eine herrliche Zeit, radeln die Stadt fast komplett ab und treffen am Morgen noch tolle Jungs in einem Cannon Shop, an dem wir angehalten hatten, um etwas Kamerazubehör zu erwerben. Es ist erstaunlich, die Balten sind tendenziell eher zurückhaltend, aber sobald sie Englisch sprechen doch oft überaus offen, neugierig, lustig und sehr interessiert.